Verhalten eines Richters in der Hauptverhandlung kann Befangenheit bedeuten

Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen (§ 24 Abs. 2 StPO). Das ist der Fall, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, welche die gebotene Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann. Maßstab für die Beurteilung dieser Voraussetzungen ist ein “vernünftiger” oder “verständiger” Angeklagter (vgl. z.B. BGH NStZ 2018, 732, Rn. 16 bei juris).

Im Zusammenhang mit dem Verhalten eines Richters in der Hauptverhandlung kann eine derartige Situation u.a. dann eintreten, wenn dieser den Angeklagten oder sonstige Verfahrensbeteiligte unter Verletzung des richterlichen Verhandlungsstils in unangemessener, spöttischer oder gar ehrverletzender Weise behandelt (vgl. z.B. Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. § 24 StPO Rn. 17).

Unmutsäußerungen eines abgelehnten Richters dürfen dabei allerdings nicht isoliert, sondern müssen in dem Zusammenhang, in dem sie gefallen sind, betrachtet werden (siehe z.B. BGH NStZ 2009, 581, Rn. 18 bei juris). Dabei können auch Spannungen zwischen dem Gericht und den Verteidigern eine Rolle spielen, wobei solche aber in aller Regel nicht die Besorgnis der Befangenheit begründen, wenn sie erst im Lauf des Verfahrens entstanden sind (vgl. BGH NStZ 2005, 218, Rn. 8 bei juris).

Anerkannt ist zudem, dass eine nachvollziehbare, momentane “Unmutsaufwallung” eines Richters in Reaktion auf das vorherige Verhalten anderer Verfahrensbeteiligter aus der Sicht eines vernünftigen Angeklagten hinnehmbar sein kann. Sie darf dabei auch in “nachdrücklicher Form” gehalten sein (vgl. z.B. BGH NStZ 2018, 610, Rn. 13 bei juris) bzw. Worte verwenden, mit denen der jeweilige Adressat im Sinn einer “individuellen Ansprache” wirksam erreicht wird (BGH NStZ-RR 2004, 208, Rn. 20 bei juris).

Anders verhält es sich, wenn die Äußerung in keinem vertretbaren Verhältnis mehr zu dem sie auslösenden Anlass steht (vgl. BGH StV 1993, 339, Rn. 5 bei juris), wenn sie nach den Umständen des Einzelfalles in der Form überzogen ist oder wenn sie beim Angeklagten bei der gebotenen verständigen Würdigung die Befürchtung von Voreingenommenheit aufkommen lassen kann (vgl. NStZ 2012, 570, Rn. 22 bei juris).

Handelte es sich um die Reaktion auf ein Handeln des Verteidigers, so kann letzteres zu bejahen sein, wenn die Äußerung nur dahin verstanden werden kann, dass der Richter von vornherein nicht gewillt war, das anwaltliche Vorgehen als ernsthaften Beitrag zum Prozessgeschehen aufzufassen. Denn dann könnte beim Angeklagten die berechtigte Befürchtung aufkommen, der betreffende Richter nehme sein Verteidigungsvorbringen nicht mit der erforderlichen abwägenden Distanziertheit zur Kenntnis und habe sich in seinem Urteil – und sei es auch nur hinsichtlich einer einzelnen Frage – bereits festgelegt (ähnlich bereits BGH a.a.O. für den Fall der Reaktion auf einen Beweisantrag). Relativiert werden kann eine Beeinträchtigung des Sachlichkeitsgebots umgekehrt dann, wenn sie sich als besonders spontane Reaktion des Richters darstellt (vgl. z.B. BGH NStZ 2009, 581, Rn. 18 bei juris und NStZ 2012, 570, Rn. 22 bei juris; verneint wurde eine Spontanreaktion durch BGH NStZ 2005, 218, Rn. 8 bei juris).

Ablehnende Reaktionen des Richters auf den Inhalt eines Schlussvortrags können daher in erhöhtem Maß die Besorgnis eines Verfahrensbeteiligten wecken, dass er bestimmten Aussagen sein Gehör verschließt und dem Verfahrensausgang nicht mehr offen gegenüber steht. Andererseits ist der Richter auch in dieser Phase der Verhandlung nicht auf Passivität beschränkt. So ist z.B. anerkannt, dass der Vorsitzende einem Missbrauch des Schlussvortrags im Rahmen seiner Sachleitung entgegen zu treten hat (siehe z.B. Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. § 258 StPO Rn. 16).

Für ein Auflachen als körperlicher Reflex auf als solche empfundene Komik hat daher auch in dieser Situation Ähnliches zu gelten wie für eine Unmutsaufwallung:

Es kann dem Richter zuzubilligen sein, solange es im konkreten Zusammenhang, hier dem besonders sensiblen nach § 258 Abs. 1 StPO, angesichts seines Auslösers als verständlich erscheint. Das wird umso eher der Fall sein, je mehr es sich um eine Spontanreaktion handelt und auf die zum Unterbinden erforderliche Reaktionszeit beschränkt bleibt.

Regelmäßig problematisch sein wird dagegen ein Lachen, das als gewollter Ausdruck von Abwertung empfunden werden kann, sei es auf Seiten des Plädierenden oder – von diesem mit Mitteln der Komik herausgefordert – auf dessen Gegenseite.

Das Mienenspiel gehört zum – willentlich nur begrenzt beherrschbaren – Grundkanon menschlicher Reaktionen auf aktuelles Erleben. Mit der Pflicht des Richters zu Neutralität, Sachlichkeit und Fairness ist es grundsätzlich vereinbar. Zwar verlangt das Richteramt von seinem Träger, sein Verhalten an den hiermit verbundenen Anforderungen auszurichten, soweit es seiner Beherrschung unterliegt. Darüber hinausgehend selbst im Bereich des Unwillkürlichen liegende, allgemein menschliche Reaktionen zu unterdrücken, gebietet es dagegen nicht. Das Gebot sachlicher Verhandlungsführung erfordert daher nicht, dass die Mitglieder des erkennenden Gerichts sämtliche Vorgänge der Hauptverhandlung regungslos zur Kenntnis nehmen, ohne dabei eine Miene zu verziehen. Potentiell Anlass für eine Besorgnis der Befangenheit können solche Reaktionen aber dann geben, wenn sie über den Bereich des Reflexhaften hinausgehend als Kommunikationsbeitrag im Weg der (Körper-)Sprache eingesetzt werden.