OLG Düsseldorf: Bestätigung des Freispruchs vom Vorwurf des Subventionsbetruges

von Thomas Ax

Den Freispruch vom Vorwurf des Subventionsbetruges in zwei Fällen (§ 264 Abs. 1 Nr. 1, § 53 StGB) hat das Landgericht rechtsfehlerfrei auf die Erwägung gestützt, dass nicht festgestellt werden konnte, die Angeklagte habe über subventionserhebliche Tatsachen unrichtige Angaben gemacht. Nach den Feststellungen der Strafkammer hinsichtlich der von der Angeklagten für ihre beiden Kosmetikstudios erbrachten Arbeitsleistung und zu deren Ertragslage bis zum Beginn der Auswirkungen der Corona-Pandemie durfte die Angeklagte zu Recht annehmen, einen Anspruch auf die beantragte Soforthilfe zu haben, weil sie beide Studios im Haupterwerb betrieb, diese sich gut entwickelten und erst infolge der Pandemie in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerieten.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 14.12.2022 – 3 RVs 42/22

Gründe

Das Amtsgericht Solingen hat die Angeklagte am 23. März 2021 wegen Subventionsbetruges in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 90 Euro verurteilt und außerdem die Einziehung von 9.000 Euro aus dem Vermögen der Angeklagten angeordnet. Hiergegen haben sowohl die Staatsanwaltschaft (beschränkt auf das Strafmaß) als auch die Angeklagte Berufung eingelegt. Mit Urteil vom 7. Oktober 2021 hat das Landgericht Wuppertal das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft verworfen. Auf die Berufung der Angeklagten hat es das angefochtene Urteil insgesamt aufgehoben und die Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Mit Beschluss vom selben Tag hat das Landgericht den die Einziehung sichernden Arrestbeschluss des Amtsgerichts vom 7. Juli 2020 aufgehoben.

Gegen den Freispruch wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision. Gegen die Aufhebung des Arrestbeschlusses hat sie Beschwerde eingelegt. Im Rahmen der allein erhobenen Sachrüge beanstandet die Staatsanwaltschaft die Beweiswürdigung des Landgerichts. Die Generalstaatsanwaltschaft ist dem Rechtsmittel beigetreten.

Die Revision hat keinen Erfolg. Infolge der Rechtskraft des freisprechenden Urteils hat sich die Beschwerde gegen die Aufhebung des Arrestbeschlusses erledigt.

I.

Nach den Feststellungen des Landgerichts war die Angeklagte von ca. 2003 bis zum Januar 2019 in leitender Stellung bei dem Einzelhandelsunternehmen angestellt. Schon als dieses Arbeitsverhältnis noch bestand, hatte die Angeklagte nebenher eine Ausbildung zur Kosmetikerin begonnen. Nach dem Abschluss dieser Ausbildung eröffnete die Angeklagte zum 1. April 2019 ein Kosmetikstudio. Sie mietete ein Ladenlokal an und investierte etwa 20.000 Euro aus ihrem privat angesparten Vermögen in die Ausstattung des Studios mit Waren, medizinischen Geräten und Werkzeugen. Da sie zu Beginn die wirtschaftliche Entwicklung ihres Kosmetikstudios nicht einschätzen konnte, gab sie bei der Gewerbeanmeldung an, dass sie diese Tätigkeit vorerst im Nebenerwerb betreiben werde. Tatsächlich war sie von Beginn an in Vollzeit in ihrem Kosmetikstudio tätig.

Mit der Wahrnehmung ihrer steuerlichen Angelegenheiten beauftragte die Angeklagte einen Steuerberater, den Zeugen. Dieser ermittelte aus dem Betrieb Kosmetikstudios bis zum 31. Dezember 2019 einen steuerlichen Verlust in Höhe von 13.297,85 Euro. Tatsächlich aber konnte die Angeklagte in dem Zeitraum mit dem Betrieb nicht nur kostendeckend arbeiten, sondern sogar Gewinne in Höhe von insgesamt 11.520,36 Euro erwirtschaften. Zu der Ausweisung des steuerlichen Verlustes kam es, weil – neben weiteren Kosten – die aus dem privaten Vermögen der Angeklagten investierten 20.000 Euro als Betriebsausgaben gegengerechnet werden mussten.

Da aber die Einnahmen aus dem Gewerbebetrieb im Jahre 2019 schwankten und nicht die Höhe ihres Gehalts bei der Firma erreichten, nahm die Angeklagte neben ihrer selbständigen Tätigkeit zum 2. September 2019 eine zunächst auf ein Jahr befristete Anstellung bei der Fortbildungsakademie an. Auf der Grundlage einer vereinbarten Wochenarbeitszeit von 39 Stunden erzielte sie daraus ein monatliches Nettoeinkommen von 1.800 Euro. Weil dieses Arbeitsverhältnis aber befristet war und die Angeklagte ihre gewerbliche Tätigkeit auf eine breitere Basis stellen wollte, übernahm sie zum 1. November 2019 zusätzlich einen bereits bestehenden Kosmetiksalon samt Kundenstamm von der Zeugin, den diese bis dahin in Vollzeit betriebenen hatte. Bei der Gewerbeanmeldung des zweiten Salons erklärte die Zeugin im Auftrag der Angeklagten, ihrer Mutter, auch dieser Betrieb werde im Nebenerwerb geführt, was nicht der Wirklichkeit entsprach. Der Salon machte eine positive wirtschaftliche Entwicklung. Bis zum Jahresende 2019 beliefen sich die Einnahmen daraus auf 4.952,89 Euro und im Januar 2020 auf 3.261 Euro (jeweils brutto).

Neben ihrer Tätigkeit für die, der sie montags bis freitags von morgens bis mittags nachging, arbeitete die Angeklagte wöchentlich rund 47 Stunden als selbständige Kosmetikerin, wobei sie ihre Arbeitszeit jeweils hälftig auf ihre beiden Kosmetikstudios verteilte und von Montag bis Freitag von 17:00 bis 22:00 Uhr abwechselnd in dem einen oder anderen Studio tätig war. Samstags nahm sie von 8:00 bis 22:00 Uhr zuvor vereinbarte Kundentermine wahr. Teilweise bediente sie ihre Kunden in den beiden Studios auch sonntags. Ansonsten nutzte sie die Sonntage, um die Studios aufzuräumen, sie zu reinigen, die Regale aufzufüllen und die Buchführung für den Steuerberater vorzubereiten.

Aufgrund der Covid-19-Pandemie brachen ab März 2020 die Umsätze beider Kosmetikstudios der Angeklagten ein. Daraufhin stellte die Angeklagte am 27. März 2020 bei der Bezirksregierung in einen Online-Antrag auf Gewährung einer Soforthilfe aus dem Soforthilfeprogramm des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation und Energie des Landes NRW sowie dem Bundesprogramm “Soforthilfe für Kleinstunternehmer und Soloselbständige” (“NRW-Soforthilfe 2020”) in Höhe von 9.000 Euro. Den Antrag stellte sie zunächst nur für ihr Kosmetikstudio in, da ihr zu diesem Zeitpunkt die Steuernummer ihres Kosmetiksalons in noch nicht vorlag. In dem Online-Antragsformular wurde darauf hingewiesen, dass antragsberechtigt Unternehmen sind, die wirtschaftlich und damit dauerhaft am Markt tätig sind, sowie u. a. Soloselbständige im Haupterwerb. Nicht gefördert werden sollten Unternehmen, die bereits vor dem 31. Dezember 2019 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten waren. In dem Antragsformular erklärte die Angeklagte – durch Setzen eines Kreuzes vor einem vorformulierten Text -, ihr sei bekannt, dass es sich bei den vorgenannten Voraussetzungen um subventionserhebliche Tatsachen i.S.v. § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB handelt. Ein weiteres Kreuz setzte sie vor dem Passus: “Für Solo-Selbständige und Freiberufler: Ich versichere, dass ich meine Tätigkeit im Haupterwerb betreibe”.

Als Bankverbindung gab die Angeklagte ihr Privatgirokonto an, welches sie seit dem Beginn ihrer selbständigen Tätigkeit auch als Geschäftskonto nutzte und über das sie sämtliche privaten und geschäftlichen Geldbewegungen abwickelte. Am 1. April 2020 überwies die Bezirksregierung der Angeklagten die beantragte Corona-Soforthilfe in Höhe von 9.000 Euro. Mit dem Geld beglich die Angeklagte Verbindlichkeiten aus dem Geschäftsbetrieb ihrer beiden Kosmetikstudios.

Nunmehr wollte die Angeklagte sich erkundigen, ob sie auch für ihren Kosmetiksalon in die Corona-Soforthilfe beantragen könne. In ihrem Auftrag nahm ihre Tochter, die Zeugin, mit der Handwerkskammer in telefonisch Kontakt auf. Dort erhielt sie die Auskunft, ihre Mutter solle in jedem Fall die Corona-Soforthilfe auch für ihren zweiten Betrieb beantragen. Falls ihr die Soforthilfe nicht ein zweites Mal zustünde, sei dies unschädlich, weil die Bezirksregierung die Anspruchsvoraussetzungen ohnehin prüfen würde. Es sei aber auf alle Fälle ratsam, die Soforthilfe auch für den zweiten Betrieb zu beantragen, weil die Geldmittel gedeckelt seien und die Angeklagte bei zögerlichem Verhalten, trotz Vorliegens der Voraussetzungen, leer ausgehen könnte.

Im Hinblick auf diese Auskunft stellte die Angeklagte am 8. April 2020 auch für ihren Kosmetiksalon in einen Antrag auf Corona-Soforthilfe. Dieser Antrag wurde von der Bezirksregierung wegen der Namensgleichheit der Antragstellerin als Dublette eingestuft, sodass es nicht zu einer weiteren Auszahlung kam.

II.

Das freisprechende Urteil hält der sachlichrechtlichen Nachprüfung stand.

Den Freispruch vom Vorwurf des Subventionsbetruges in zwei Fällen (§ 264 Abs. 1 Nr. 1, § 53 StGB) hat das Landgericht rechtsfehlerfrei auf die Erwägung gestützt, dass nicht festgestellt werden konnte, die Angeklagte habe über subventionserhebliche Tatsachen unrichtige Angaben gemacht. Nach den Feststellungen der Strafkammer hinsichtlich der von der Angeklagten für ihre beiden Kosmetikstudios erbrachten Arbeitsleistung und zu deren Ertragslage bis zum Beginn der Auswirkungen der Corona-Pandemie durfte die Angeklagte zu Recht annehmen, einen Anspruch auf die beantragte Soforthilfe zu haben, weil sie beide Studios im Haupterwerb betrieb, diese sich gut entwickelten und erst infolge der Pandemie in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerieten.

Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht dabei festgestellt, dass die Angeklagte eine wöchentliche Arbeitszeit von 47 Stunden für den Betrieb ihrer beiden Kosmetikstudios aufgewendet hat. Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft hat es sich insoweit nicht allein von der Einlassung der Angeklagten leiten lassen, sondern sich maßgeblich auf die Bekundungen der Zeugen und gestützt. Auf der Grundlage von deren Aussagen war das Landgericht in der Lage, eine plausible und im Einzelnen nachvollziehbare Abrechnung über die wöchentliche Arbeitszeit der Angeklagten und die näheren Umstände von deren Erbringung in den beiden Kosmetikstudios aufzustellen.

Anders als die Staatsanwaltschaft vermisst der Senat keine kritische Auseinandersetzung des Landgerichts mit dem Umstand, dass sich unter Berücksichtigung ihrer Tätigkeit im Angestelltenverhältnis für die für die Angeklagte im Herbst/Winter 2019 eine gesamte wöchentliche Arbeitszeit von 86 Stunden ergibt. Nach den Urteilsfeststellungen konnte diese – zugegebenermaßen hohe – Arbeitsbelastung tatsächlich erbracht werden, weil die einzelnen Tätigkeiten voneinander entzerrt und auf sämtliche Wochentage verteilt werden konnten. Darüber hinaus hat das Landgericht in den Blick genommen, dass der Bestand des unselbständigen Arbeitsverhältnisses der Angeklagten von vornherein nur befristet war. Zutreffend deuten die Ausführungen des Landgerichts darauf hin, dass Jungunternehmer ebenso wie Berufsanfänger – jedenfalls zu Beginn ihrer Tätigkeit und für einen überschaubaren Zeitraum – bereit sind, überdurchschnittlich hohe persönliche Belastungen hinzunehmen.

Soweit die Staatsanwaltschaft beanstandet, die Strafkammer habe die Abgrenzung von Haupt- und Nebenerwerb nicht nach der Höhe des daraus jeweils erzielten Einkommens vorgenommen, kann dem nicht gefolgt werden. Der diesbezügliche Hinweis, in dem Internetauftritt der Bezirksregierung werde bezüglich des Begriffs des Haupterwerbs alleine darauf abgestellt, ob aus der fraglichen Erwerbsquelle mehr als 50% des persönlichen Einkommens bezogen wird, ist urteilsfremd und bereits deswegen revisionsrechtlich irrelevant. Abgesehen davon ist auch die Grundannahme der Staatsanwaltschaft, die Angeklagte habe aus ihrer Angestelltentätigkeit monatlich netto 1.800 Euro, hingegen aus dem Betrieb ihrer Kosmetikstudios keinen wesentlichen Gewinn erzielt, unzutreffend. Nach den Feststellungen der Strafkammer hatten die Einnahmen aus den beiden Gewerbebetrieben für die Angeklagte keine geringere Bedeutung als ihr Angestelltengehalt. Diese Bewertung beruht auf dem von dem Zeugen vorgetragenen Zahlenwerk und dem Umstand, dass ein steuerlicher Verlust nicht – ohne Weiteres – mit einer ungünstigen wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens gleichgesetzt werden kann, zumal wenn die Ausweisung von Verlusten – wie hier – auf der Gegenrechnung von Betriebsausgaben in erheblicher Höhe beruht. Sie ist sachlichrechtlich nicht zu beanstanden. Selbst wenn anfängliche Gewinne nach dem Beginn einer selbständigen Tätigkeit fehlen sollten, wäre dies durchaus üblich und nähme der gewerblichen Tätigkeit nach Ansicht des Senats nicht die Qualifizierung als Haupterwerbstätigkeit (vgl. insoweit AG Dortmund, Urteil vom 10. Juni 2021 – 729 Cs – 700 Js 1273/20 – 41/21).

Der Staatsanwaltschaft ist auch nicht darin zuzustimmen, die Angeklagte habe sich gemäß § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht, weil sie für jedes ihrer beiden Kosmetikstudios einen Antrag auf Soforthilfe gestellt habe. Bei einer solchermaßen getrennten Betrachtung durch das Landgericht mit zwei getrennten Betrieben der Angeklagten hätte auch nur eine anteilige Wochenarbeitszeit von jeweils 23,5 Stunden, mithin deutlich weniger als die 39 Stunden aus dem Angestelltenverhältnis, zugrunde gelegt werden müssen. Nach den festgestellten Gesamtumständen durfte die Angeklagte sich gleichwohl berechtigt fühlen, die Soforthilfe für beide Kosmetikstudios zu beantragen. Auch bei einer anteiligen Wochenarbeitszeit von 23,5 Stunden – die nach sozialversicherungsrechtlichen Maßstäben (§ 138 Abs. 3 Satz 1, § 27 Abs. 5 Satz 1 SGB III) auf einen Haupterwerb hindeutet – und deutlich mehr als nur unwesentlichen Einkünften aus dem Betrieb beider Studios konnte die Angeklagte jedenfalls subjektiv annehmen, einen zweiten Antrag stellen zu dürfen, zumal sie sich von der Handwerkskammer hat rechtlich beraten lassen und die eindeutige Empfehlung erhielt, einen weiteren Antrag für ihr zweites Studio ohne Zögern zu stellen.

Dem angefochtenen Freispruch steht schließlich auch nicht entgegen, dass die Angeklagte den auf ihren ersten Antrag für den Salon ausgezahlten Geldbetrag zweckwidrig i.S.v. § 264 Abs. 1 Nr. 2 StGB verwendet haben könnte, indem sie damit auch Verbindlichkeiten aus dem Betrieb ihres Kosmetikstudios beglich. Darin kann keine zweckwidrige Verwendung der Subvention gesehen werden, da die Bezirksregierung bei der Bewilligung und Auszahlung selbst davon ausging, dass die Angeklagte als Soloselbständige nur einen einheitlichen (Klein-) Betrieb als Kosmetikerin unterhielt. Die Angeklagte hatte sich bei der Antragstellung ausdrücklich als Soloselbständige (d.h. ohne weitere Mitarbeiter) bezeichnet. Die Bezirksregierung hatte demzufolge den zweiten Antrag wegen der Namensgleichheit der Antragstellerin als Dublette eingeordnet. Wenn also die Angeklagte nach der Bewertung des Subventionsgebers als Kosmetikerin einen einheitlichen Kleinbetrieb unterhielt, kann ihr nicht zur Last gelegt werden, dass sie die Subvention für die zweite Betriebsstätte dieses Kleinbetriebes verwendete.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 StPO.

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