Unmutsaufwallungen als Befangenheitsgrund?

Das Vorliegen eines Ablehnungsgrundes ist grundsätzlich vom Standpunkt des Angeklagten aus zu beurteilen. Ob der Richter tatsächlich parteiisch oder befangen ist, spielt keine Rolle. Mißtrauen in die Unparteilichkeit eines Richters ist dann gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann (vgl. Meyer-Goßner StPO 46. Aufl. § 24 Rdn. 6, 8 m.w. Nachw.). Dabei ist der Sachverhalt auch unter Berücksichtigung der Dienstlichen Erklärung des abgelehnten Richters zu beurteilen; zunächst berechtigt erscheinendes Mißtrauen ist danach möglicherweise zu überwinden (vgl. BGHSt 4, 264, 269, 270; BGH wistra 2002, 267 m.w.N.; BGH, Beschl. vom 18. November 2003 – 1 StR 481/03).

Aus der Verhandlungsführung des Richters kann sich ein solches Mißtrauen in die Unvoreingenommenheit ergeben, wenn dieser in grob unsachlicher Weise seinen Unmut zum Ausdruck bringt, wenn er den Angeklagten bedrängt, zur Sache auszusagen oder ein Geständnis abzulegen oder wenn er den Angeklagten sonst unter Verletzung des richterlichen Verhandlungsstils in unangemessener oder gar ehrverletztender Weise behandelt (vgl. Meyer-Goßner aaO Rdn. 17 mit Rechtsprechungsnachw.). Nicht zu beanstanden ist es hingegen, wenn er dem Angeklagten in nachdrücklicher Form Vorhalte macht, sich in nach Sachlage noch verständlichen Unmutsäußerungen ergeht (“Unmutsaufwallungen”), auf das nach dem gegebenen Sachstand zu erwartende Verfahrensergebnis hinweist oder die Bedeutung eines Geständnisses für die Strafzumessung hervorhebt (vgl. Meyer-Goßner aaO Rdn. 18 mit Rechtsprechungsnachw.).

Einem Richter ist es unbenommen, situationsangemessen und auf das Naturell des jeweiligen Angeklagten eingehend, entsprechende Erklärungen und Fragen auch mit Nachdruck und in klarer, dem jeweiligen Angeklagten sicher verständlicher Sprache zu formulieren. Dabei darf er auch Worte wählen, mit denen er den jeweiligen Angeklagten wirksam erreicht (“individuelle Ansprache”).

Wenn dies situationsbedingt in der Formulierung mit einem gewissen Unmut verbunden ist, so muß das noch als nachvollziehbar erscheinen.

Entscheidend ist, wie sich die Äußerungen aus Sicht eines vernünftigen Angeklagten darstellen.