Was kann man gegen Fake News unternehmen?

vorgestellt von Thomas Ax

In letzter Zeit haben Falschmeldungen im Internet – z.B. ein erfundener Kommentar von Renate Künast zu einem Gewaltverbrechen auf Facebook1 – für Diskussionen gesorgt, wie Politik, Medien und soziale Netzwerke mit sogenannten „Fake News“ umgehen sollten.

Fake News im Internet werden als große Gefahr für eine ausgewogene und sachliche öffentliche Meinungsbildung empfunden. Falsche Nachrichten verbreiten sich im Internet mit rasender Geschwindigkeit und erreichen binnen kürzester Zeit viele tausende Leser. Dabei kann es sehr schwierig sein, die jeweiligen Verantwortlichen zu identifizieren. Der angerichtete Schaden in Form von Desinformation und Rufschädigung ist – auch im Falle einer baldigen Löschung oder Berichtigung der Nachricht – häufig irreversibel.

An dieser Stelle wird eine große Diskrepanz zwischen dem derzeit geltenden presse- und medienrechtlichen Haftungssystem und der heutigen Praxis der Informationsgewinnung aus dem Internet offensichtlich. Immer mehr Menschen informieren sich weitgehend oder sogar ausschließlich über soziale Netzwerke und Internetportale. In den USA gaben bei einer Umfrage 44% der Erwachsenen an, ihre Informationen und Nachrichten ausschließlich über Facebook zu erlangen.2 Auch wenn eine Falschmeldung wenige Stunden später am Ort ihres ersten Auftauchens gelöscht oder korrigiert wird, erreicht diese Korrektur die Leser häufig nicht mehr.

Diesen Effekt nutzen Einzelpersonen oder Gruppen aus, um die (politische) Meinungsbildung mit Falschmeldungen zu beeinflussen oder gezielt einzelne Personen zu diskreditieren. Eine besondere Rolle spielt in diesem Zusammenhang das soziale Netzwerk Facebook: Facebook ist mit weltweit mehr als einer Milliarde Nutzern das größte Netzwerk dieser Art. Das Unternehmen ist in den letzten Monaten immer wieder dafür kritisiert worden, nicht in ausreichendem Maße gegen verleumderische, rassistische und falsche Nachrichten vorzugehen.3

Unter anderem auf Facebook eingestellte Fake News sollen auch im US-Wahlkampf eine wichtige Rolle gespielt haben. So generierten zwanzig erfundene Nachrichten bei Facebook insgesamt 8,7 Millionen Reaktionen (Shares, Links, Kommentare).4 Ein geringer Wahrheitsgehalt hat nach Analysen dabei eher einen positiven Effekt auf die Verbreitung als einen negativen.5 Falschmeldungen wie die angebliche Empfehlung des Papstes Trump zu wählen, können einen erheblichen Einfluss auf Wähler gehabt haben.6

(6) Bei Falschmeldungen muss unterschieden werden zwischen falschen Tatsachenbehauptungen und Meinungen. Tatsachenbehauptungen beziehen sich auf Umstände in der Wirklichkeit, die bewiesen oder widerlegt werden können. Sie können also richtig oder falsch sein. Für die Strafbarkeit einer falschen Tatsachenbehauptung kommt es darauf an, ob eine Person Gegenstand der Behauptung ist. Meinungen sind dagegen Ausdruck einer persönlichen Stellungnahme und damit keinem Beweis zugänglich.7 Wenn Meinungsäußerungen die Ehre einer Person verletzen, kann sich der Autor z.B. wegen Beleidigung strafbar machen. Meinungsäußerungen können aber nicht falsch sein und fallen daher nicht unter den Begriff der „Fake News“. Nur wenn eine Meinungsäußerung auf falsche Tatsachen gestützt wird, kann die Gesamtnachricht als „Fake News“ gelten.

2. Derzeitige Rechtslage

2.1. Strafbarkeit von Falschmeldungen

Für die Strafbarkeit muss unterschieden werden zwischen Behauptungen über Menschen und allgemeinen Falschnachrichten. Die Veröffentlichung von allgemeinen Falschnachrichten ohne Bezug zu einer bestimmten Person oder Personengruppe („Der Eurokurs ist heute nacht abgestürzt“) ist grundsätzlich nicht strafbar.8 (Eine eng gefasste Ausnahme stellt die Leugnung des Holocausts nach § 130 Abs. 3 und 4 StGB unter Strafe – auch hier geht es jedoch um den Ehrenschutz der Opfer.)

Die Straftatbestände der Beleidigung, Verleumdung und üblen Nachrede (§§ 185ff. StGB) können nur dann erfüllt sein, wenn Menschen verunglimpft oder verleumdet werden. Die Äußerung muss dann geeignet sein, den Betroffenen verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzusetzen. Das muss im Einzelfall geprüft werden. Voraussetzung ist außerdem, dass jemand bewusst die Unwahrheit sagt oder dies im Fall der üblen Nachrede bewusst riskiert.

– Wegen Beleidigung nach § 185 StGB macht sich strafbar, wer einen anderen durch eine Äußerung oder Handlung herabwürdigt. In der beleidigenden Äußerung oder Handlung liegt eine Meinungskundgabe, es geht nicht um die Behauptung von Tatsachen. Das Strafmaß sieht eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren vor.

– Wer über einen anderen Menschen Tatsachen behauptet, die ihn in der öffentlichen Meinung herabwürdigen können, kann sich wegen übler Nachrede nach § 186 StGB strafbar machen, wenn er die Tatsachen nicht beweisen kann. Hier ist ein Strafmaß von maximal einem Jahr Freiheitsstrafe vorgesehen.

– Wer über einen anderen Menschen bewusst unwahre Tatsachen behauptet, die ihn in der öffentlichen Wahrnehmung verächtlich machen können, macht sich wegen Verleumdung nach § 187 StGB strafbar. Das Strafmaß beträgt Geldstrafe oder bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe. § 188 StGB stellt die üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens unter eine besondere Strafe – hier ist eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis fünf Jahren vorgesehen.

In der Praxis stellt sich bei Meldungen im Internet häufig das Problem, dass der Verfasser der Nachricht nicht identifiziert und kontaktiert werden kann. Eine Strafanzeige kann dann nur gegen „unbekannt“ gestellt werden, die Strafverfolgungsbehörden müssen bei erfolgloser Suche nach dem Autor ihre Ermittlungen einstellen.

2.2. Zivilrechtliche Ansprüche auf Löschung, Berichtigung und Unterlassung

Durch Strafverfolgung kann jemand für eine Falschnachricht zur Verantwortung gezogen werden – damit ist die Nachricht jedoch noch nicht beseitigt. Hierfür muss der Betroffene einen zivilrechtlichen Anspruch auf Löschung, Berichtigung oder Unterlassung einer Nachricht geltend machen.

Die Ansprüche auf Löschung, Berichtigung oder Unterlassung einer Nachricht sind nicht explizit geregelt, sondern wurden von den Gerichten aus allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) entwickelt.

Der Berichtigungsanspruch wird analog auf den allgemeinen Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 1 BGB und den Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB gestützt. Art und Umfang des Schadensersatzes bestimmt sich nach § 249 Abs. 1 BGB. Der Betroffene muss darlegen, dass die behauptete Tatsache unwahr ist und dass er durch die Behauptung in seinem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht (APR) beeinträchtigt ist.

Der Löschungsanspruch wird ebenfalls auf §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB gestützt. Wenn dies notwendig ist, um die fortdauernde Rufbeeinträchtigung zu beenden, kann der Betroffene den Autor auf Löschung der rechtswidrigen Behauptung im Internet in Anspruch nehmen.9 Gleichzeitig mit einem Anspruch auf Löschung oder Berichtigung einer bereits veröffentlichten Nachricht kann der Betroffene nach §§ 823 i.V.m. 1004 BGB analog eine Erklärung des Verantwortlichen verlangen, dass er derartige Nachrichten auch in Zukunft unterlassen werde (Unterlassungsanspruch). Bei Zuwiderhandlung muss der Verantwortliche im Sinne des Presserechts eine Vertragsstrafe zahlen.

Auch bei allen zivilrechtlichen Ansprüchen stellt sich häufig das Problem, dass der Autor der falschen Nachricht nicht identifizierbar ist und daher keine Ansprüche gegen ihn gerichtet werden können. Wenn eine falsche Nachricht auf einem Portal veröffentlicht wird, muss also gegebenenfalls der Betreiber des Portals kontaktiert werden, auf dem die Meldung veröffentlicht wurde. Er wird aufgefordert, den Beitrag zu löschen oder die Weiterverbreitung zu unterbinden.

2.3. Presse- und Medienrecht

2.3.1. Presserechtliche Haftung einer Redaktion

Die presserechtliche Haftung einer Redaktion ergibt sich aus den Landespressegesetzen. Danach (z.B. in Berlin § 7 Abs. 2 LPrG) muss für jedes periodische Druckwerk ein „verantwortlicher Redakteur“ bestellt und im Impressum benannt werden. Er ist dann dafür verantwortlich, das Druckwerk von strafbaren Inhalten freizuhalten. Wenn er diese Pflicht schuldhaft verletzt macht er sich strafbar.

Wer also im Sinne des Presserechts journalistisch tätig ist, muss vor der Veröffentlichung sicherstellen, dass er keine falschen oder rechtswidrigen Nachrichten oder Äußerungen veröffentlicht. Inhalt, Herkunft und Wahrheitsgehalt von Nachrichten müssen also überprüft werden und so dargestellt werden, dass ihr Sinn nicht entstellt wird. Auch der Pressekodex des Deutschen Presserates benennt und konkretisiert diese Sorgfaltspflichten der Presseorgane.10 Wer im Sinne des Presserechts als Redaktion gilt, ist für im eigenen Namen veröffentlichten Inhalte verantwortlich. Nach § 10 Abs. 1 Berliner Pressegesetz haben Personen ein Recht auf Gegendarstellung, wenn sie durch eine in einem Druckwerk aufgestellte Tatsachenbehauptung betroffen sind. Nicht eindeutig geklärt ist, welche Stellen als Presseorgane im Sinne des Presserechts gelten. Die Landespressegesetze gelten nach ihrem Wortlaut nur für periodische Druckwerke. Über §§ 54 Abs. 2, 55 Abs. 2 Rundfunkstaatsvertrag haben jedoch auch Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, in denen teilweise Inhalte von Pressedruckerzeugnissen wiedergebgeben werden, den journalistischen Presse-Grundsätzen zu entsprechen. Facebook selbst gestaltet bislang kein eigenes redaktionelles Angebot, sondern bietet nur die Plattform. Allerdings können einzelne von Nutzern gestaltete Facebook-Seiten (Fan-Seiten, Gruppenseiten, etc.) ein solches Angebot gestalten, weswegen sie dann nach §§ 54, 55 RStV ein Impressum haben müssen und an die journalistischen Sorgfaltspflichten gebunden sind.

2.3.2. Presserechtliche Verbreiter-Haftung

Ein medialer Dienstleister kann auch haften, wenn er sich die strafrechtlich oder zivilrechtlich relevante Äußerung eines anderen „zu eigen gemacht hat“. Ein Zu-Eigen-Machen liegt nach Ansicht des Bundesgerichtshofs vor, wenn die fremde Äußerung so in den eigenen Gedankengang eingefügt wird, dass die gesamte Äußerung als eigene erscheint.11 Dadurch soll sichergestellt werden, dass niemand sich der Haftung entziehen kann, indem für eine bestimmte Aussage fremde Aussagen oder Bilder genutzt werden. Diese Haftung wird bei Facebook regelmäßig nicht relevant, weil sich die Plattform die von den Nutzern geteilten Inhalte gerade nicht zu eigen macht.

2.3.3. Recht auf Gegendarstellung

§ 11 der Landespressegesetze regelt das Recht auf Gegendarstellung. Für Telemedien ist dieses Recht in § 56 Rundfunkstaatsvertrag geregelt. Mit einer Gegendarstellung widerspricht der Betroffene den Fakten (nicht der Meinung) eines Berichts und präsentiert die Faktenlage, die er für richtig hält. Voraussetzung für das Recht auf Gegendarstellung ist nicht, ob die beanstandete Tatsachenbehauptung wahr oder falsch war. Dem Betroffenen soll dadurch vielmehr ermöglicht werden, sich auch zur Sachlage zu äußern. Wer den Anspruch geltend machen will, muss daher selbst von der Behauptung betroffen sein und ein berechtigtes Interesse geltend machen.

Wissenschaftliche Dienste Sachstand

WD 10 – 3000 – 067/16

1 http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/kampf-gegen-fake-news-kuenast-stellt-strafanzeige-wegen-falschnach-richt-auf-facebook-14568472.html (alle Internetseiten wurden zuletzt abgerufen am 20.12.2016).

2 http://nymag.com/selectall/2016/11/donald-trump-won-because-of-facebook.html.

3 http://www.spiegel.de/netzwelt/web/hetze-auf-facebook-warum-der-hass-nicht-geloescht-wird-a-1051805.html.

4 http://meedia.de/2016/11/18/fake-news-warum-facebook-verdammt-nochmal-seiner-verantwortung-gerecht-werden-muss/.

https://beck-online.beck.de/Dokument?vpath=bibdata/zeits/mmraktuell/2016/384364.htm&pos=0&hlwords=on.

6 https://beck-online.beck.de/Dokument?vpath=bibdata/zeits/mmraktuell/2016/384364.htm&pos=0&hlwords=on.

7 BVerfG v. 13.4.1994, 1 BvR 23/94, BVerfGE 90, 241, 247.

8 Wenn Journalisten bewusst falsche Nachrichten in einem Presseorgan veröffentlichen, verstoßen sie gegen journalistische Sorgfaltspflichten und den presserechtlichen Ehrenkodex. Sie machen sich jedoch nicht strafbar.

9 BGH, Urteil v. 28.7.2015, VI ZR 340/14, WM 2015, 1664 (1665).

10 http://www.presserat.de/pressekodex/pressekodex/.

11 BGH, Urteil v. 30.6.2009, VI ZR 210/08, WRP 2009, 162 (1264).