Wer überraschend eine Anklageschrift erhält, …

Mit Zustellung der Anklageschrift erhält man die Möglichkeit, sich zu dieser zu äußern und entlastende Beweiserhebungen zu beantragen, beispielsweise Zeugen zu benennen. Die Frist hierzu ist sehr kurz (meist 1-2 Wochen), wobei man aus der zugestellten Anklageschrift selbst in den seltensten Fällen erkennen wird, was für einen „entlastend“ ist und ob eine Einlassung zu diesem Zeitpunkt tatsächlich zielführend ist. Solcherlei Überlegungen lassen sich ausnahmslos anhand der vollständigen Ermittlungsakte anstellen, die wiederum nur der Verteidiger zur Einsicht erhalten kann.

In Fällen, in welchen sich das Gericht entgegen der tatsächlichen Beweislage auf sturem „Verurteilungskurs“ befindet, ziehen wir alle Register– selbst wenn dies nur mit umfangreichen Beweisanträgen oder gar Befangenheitsanträgen gegen die erkennenden Richter zu erreichen ist.  Denn eine sachgerechte und effektive Verteidigung darf den notwendigen Konflikt mit der Justiz nicht scheuen, ist aber auf keinen Fall gleichzusetzen mit aggressivem Aktionismus. Unser Erfolg gründet sich vielmehr auf einer der individuellen Fallkonstellation angepassten zielgerichteten Mischung aus notwendiger Härte und kluger Diplomatie.

Hintergrund: Das Ermittlungsverfahren endet entweder beim Strafgericht (durch Erhebung der Anklage oder Beantragung eines Strafbefehls) oder der Einstellung des Verfahrens (mangels Straftat, Nachweisbarkeit oder wegen geringer Schuld). Der Erhalt einer Anklageschrift bedeutet, dass die staatsanwaltschaftlichen / polizeilichen Ermittlungen aus Sicht der Staatsanwaltschaft abgeschlossen sind und der Staatsanwalt es für wahrscheinlich hält, den bislang Beschuldigten anhand der ermittelten Beweise einer Straftat zu überführen und gerichtlich verurteilen lassen zu können. Der Erhalt einer Anklageschrift bedeutet, dass sich das Ermittlungsverfahren bis dato nicht zu Gunsten des Betroffenen entwickelt hat: Eine Anklage erfolgt grundsätzlich nur dann, wenn die Staatsanwaltschaft von einer Verurteilung im gerichtlichen Verfahren hinreichend überzeugt ist und dabei die Schuld so schwer wiegt, dass nicht mit milderen Mitteln wie etwa einer Verfahrenseinstellung (z.B. gegen Geldauflage) oder einem schriftlichen Strafbefehl geahndet werden konnte. Allerdings bedeutet der Erhalt einer Anklage nicht, dass es nun zu spät wäre, das Ruder noch herumzureißen. Immerhin werden vor allem bei Bagatellvorwürfen bis hin zur mittleren Kriminalität die Ermittlungen wegen der Arbeitsüberlastung der Justiz oftmals nur sehr oberflächlich und einseitig geführt, ohne hinreichend zu prüfen, ob die Tat überhaupt gerichtsfest nachweisbar ist, alle Beweismittel erschöpfend ausermittelt wurden oder der Sachverhalt entsprechend des angeklagten Gesetzesverstoßes überhaupt strafbar ist, von fehlenden Sachbeweisen oder widersprüchlichen Zeugenangaben ganz zu schweigen. Nicht selten erwachsen aus dem zugrundeliegenden Fall divergente Sachverhalts- oder Rechtsprobleme, welche im Rahmen einer dem Fall angepassten erfolgsversprechenden Verteidigungsstrategie genutzt werden können.

Wir wissen, dass sich Staatsanwälte gerade bei einem bislang unverteidigten Beschuldigten gerne auch „in die Anklage flüchten“, um komplexe rechtliche Fragen und inhaltliche Auseinandersetzungen dem Richter zu überlassen. Auf diese Weise muss der zuständige Staatsanwalt nicht selbst entscheiden, in einigen Fällen ist sogar eine richterliche Entscheidung eines Tatsachen- oder Rechtsproblems das primäre Ziel der Anklage. Denn der Grundsatz ,in dubio pro reo‘ – im Zweifel für den Angeklagtengilt für die Staatsanwaltschaft nicht, weder für rechtliche noch für tatsächliche Zweifel! Daher darf die Staatsanwaltschaft auch – anders als ein Gericht – selbst bei Zweifel am zugrunde gelegten Sachverhalt oder widersprüchlicher Beweislage eine Anklageschrift bei Gericht einreichen und die Aufklärung sowie rechtliche Bewertung dann der gerichtlichen Hauptverhandlung und dem erkennenden Gericht überlassen. In den meisten Fällen hat die Staatsanwaltschaft allerdings ohnehin die Ermittlungen überwiegend oder sogar in Gänze der (auf diesem Sachgebiet nicht immer brillierenden) Polizei überlassen. Es fehlt dann regelmäßig sowohl an einer Einholung von Gutachten und Sachverständigenexpertise als auch insbesondere an einer konfrontativen Vernehmung der Belastungszeugen. Gerade polizeiliche Vernehmungsprotokolle vermitteln nicht selten ein völlig falsches Bild von den einvernommenen Zeugen, was auch an rechtlich zweifelhaften Versuchen liegen mag die Aussage in der Niederschrift „passend“ hinzubiegen.

Es handelt sich also bei der Anklage letztlich um eine reine Prognoseentscheidung der Staatsanwaltschaft bei vorläufiger Sachverhaltsbewertung.

Die Erhebung der Anklage alleine sagt noch nichts darüber aus wie gründlich ermittelt wurde und ob es im Rahmen einer Gerichtsverhandlung tatsächlich dann auch zu einer Verurteilung oder dem von der Staatsanwaltschaft angestrebten Ergebnis kommen wird. Der Erhalt der Anklageschrift bedeutet aber leider auch, dass der Staatsanwalt nicht nur von der Schuld des Angeschuldigten hinreichend überzeugt ist, sondern auch keine andere Möglichkeit gesehen hat (oder sehen wollte), das Strafverfahren auf eine mildere Art und Weise zu beenden: Denn anstelle der öffentlichen Klage (Anklage) kann der Staatsanwalt auch den Erlass eines schriftlichen Strafbefehls beantragen oder das Verfahren (mit bzw. sogar ohne Auflagen) wegen geringer Schuld oder mangels öffentlichem Interesse an der Strafverfolgung einstellen. So werden Strafverfahren regelmäßig bereits durch die Staatsanwaltschaft eingestellt, wenn selbst bei unterstellter Begehung der zur Last gelegten Straftat die Schuld des Täters gering erscheint (§ 153 Abs. 1 StPO) – also das Ausmaß der Schuld des Beschuldigten deutlich geringer ist als in vergleichbaren Fällen (z.B. Steuerhinterziehung von bis zu 1500 € Steuerschuld). Eine Verfahrenseinstellung ist aber auch nach Erhebung der Anklage noch möglich, wenn das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung durch die Erteilung von Auflagen oder Weisungen beseitigt werden kann (§ 153a Abs. 1 StPO), z. B.  durch Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens, Zahlung eines Geldbetrages zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung, die Erbringung gemeinnütziger Leistungen etc.. Allerdings darf die Schwere der Schuld des Täters der Einstellung nicht entgegenstehen – als Gründe für die Bejahung eines öffentlichen Interesses an einer Verurteilung sprechen z.B. einschlägige Vorstrafen oder bereits zuvor erfolgte Verfahrenseinstellungen wegen geringer Schuld, welche den Beschuldigten nicht von dem nunmehr zur Last gelegten Verhalten abgeschreckt haben sollen. Eine Verfahrenseinstellung kommt des Weiteren bei einem Privatklagedelikt (§ 376 StPO) in Betracht, wenn also lediglich ein Sühnebedürfnis des Verletzten und damit kein öffentliches Interesse ersichtlich ist (u.A. Beleidigung, Nötigung, einfache Körperverletzung, Sachbeschädigung…). Aber auch wenn der Verfahrenseinstellung das öffentliche Interesse oder die Schwere der Schuld entgegenstehen, kann der Staatsanwalt anstelle der Anklage auch noch nach deren Erhebung unter bestimmten Voraussetzungen einen schriftlichen Strafbefehl beantragen, soweit es sich bei der ermittelten Tat um ein sogenanntes Vergehen handelt (Mindeststrafe unter 1 Jahr) und er eine Geldstrafe noch für tat- und schuldangemessen hält. Wenn der Beschuldigte einen Verteidiger hat, kann im Strafbefehlsweg auch eine Freiheitsstafe nicht über 1 Jahr (immer ausgesetzt zur Bewährung) erlassen werden. Damit erspart der Beschuldigte sich die unangenehme Prozedur, sich auf die Anklagebank eines Gerichtssaals zu setzen und einem öffentlichen Gerichtsverfahren stellen zu müssen. Außerdem ist das Strafverfahren damit schnell abgeschlossen.

Im Falle einer Anklageerhebung bedeutet das also im Umkehrschluss, dass die Staatsanwaltschaft von all diesen Möglichkeiten der schnellen Verfahrensbeendigung keinen Gebrauch machen wollte und eine Gerichtsverhandlung mit Verurteilung anstrebt. Der Fall ist also aus Sicht der Staatsanwaltschaft ernst genug, um ein gerichtliches Verfahren anzustreben.

Theoretisch gibt es zwei Möglichkeiten ein öffentliches Gerichtsverfahren trotz Anklageerhebung der Staatsanwaltschaft abzuwenden – entweder mit oder ohne Zustimmung der Staatsanwaltschaft:

Die Staatsanwaltschaft kann eine bereits erhobene Anklage zurücknehmen, zumindest bis zur Entscheidung des Gerichts darüber, ob es aufgrund der Anklage der Staatsanwaltschaft das sogenannte gerichtliche Hauptverfahren eröffnen will.
Das bedeutet: Auch nach Erhalt der Anklageschrift bis zur Entscheidung des Gerichts über die Eröffnung des Hauptverfahrens bestehen noch Chancen, ein gerichtliches Verfahren abzuwenden. Hierzu wird es aber regelmäßig nötig sein, dass die Verteidigung der Staatsanwaltschaft und dem Gericht neue Argumente präsentiert!
Insbesondere dann, wenn sich die Anklage nachträglich als unbegründet erweist, weil z.B. neue Beweise oder entgegenstehende Rechtsausführungen (mit der Ermöglichung einer anderen rechtlichen Bewertungsgrundlage) vorgebracht werden oder gar eine erstmalige Einlassung des Angeschuldigten erfolgt, die eine gänzlich andere Bewertung des Sachverhalts zulässt, bestehen mitunter begründete Erfolgsaussichten auf eine Rücknahme der Anklage.
Auch kann durch eine Verständigung mit Gericht und Staatsanwaltschaft (sog. Deal)  eine Verfahrenseinstellung (z.B. gegen Geldauflage, § 153a StPO) oder ein günstiger Strafbefehl (Verurteilung ohne Gerichtsverhandlung) erwirkt werden.
Erfolgt also nach Anklageerhebung eine geständige oder substantiiert bestreitende Einlassung / Teileinlassung, wird Wiedergutmachung (Stichwort Täter-Opfer-Ausgleich) oder eine stattliche Geldauflage angeboten, dann stehen die Chancen nicht schlecht, die Meinung der Staatsanwaltschaft zu revidieren und eine Einstellung des Verfahrens oder sogar eine vollständige Rücknahme der Anklage zu erwirken. Vor allem weil die Justiz und insbesondere die Staatsanwaltschaften chronisch überlastet sind, sind auch letztere oft „dankbar“ wenn sie sich ein aufwendiges Gerichtsverfahren sowie Zeit und Mühe einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Fall durch einen anderen Verfahrensabschluss ersparen.

Auch ohne Zustimmung der Staatsanwaltschaft kann das zuständige Gericht durch Beschluss die Anklage der Staatsanwaltschaft nicht oder nur teilweise zur Hauptverhandlung zulassen und damit die Anklage vollständig oder teilweise ablehnen.
Diese Möglichkeit besteht insbesondere dann, wenn der Angeschuldigte der ihm zur Last gelegten Tat nicht hinreichend verdächtig ist, um nach den für die Verurteilungswahrscheinlichkeit geltenden Grundsätzen den Tatnachweis  führen zu können  Rechtspraktisch ist dies gerade auch dann zu beobachten, wenn die der Anklage und den Akten zu entnehmende Verdachtsgrundlage allzu dürftig erscheint und der Angeschuldigte entweder schweigt oder aber eine den Anklagevorwurf entkräftende bestreitende Einlassung des Angeschuldigten vorliegt, die nicht widerlegbar erscheint. Aber auch wenn die Tat nicht tatbestandsmäßig bzw. auf Grund des Eingreifens von Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründen nicht strafbar ist, kann die Eröffnung des Hauptverfahrens deswegen abgelehnt werden – ebenso wenn Prozessvoraussetzungen – sei es aus tatsächlichen, sei es aus rechtlichen Gründen – nicht sicher nachgewiesen sind. An einer Prozessvoraussetzung kann es beispielsweise fehlen, wenn ein notwendiger Strafantrag des mutmaßlich Verletzen nicht gestellt wurde oder die angeklagte Tat bereits verjährt ist.

Lassen sich die in der Akte genannten Beweismittel oder Zeugen allerdings in diesem Verfahrensstadium nicht derart entkräften, dann erscheint die Eröffnung des Hauptverfahrens im Sinne der Anklage unvermeidlich. In diesem Fall sollte man sich besser sofort auf die Verteidigung im Gerichtssaal, in Rahmen der sogenannten Hauptverhandlung, vorbereiten.

Die Entscheidung, ob oder inwieweit vor dieser mündlichen Hauptverhandlung eine schriftliche Stellungnahme zielführend ist, kann erst nach eingehender Durchsicht der Ermittlungsakte gemeinsam mit dem Verteidiger abgestimmt werden. In bestimmten Fällen kann es auch sinnvoll sein, Informationen zurückzuhalten, um beispielsweise lügende Belastungszeugen im Gerichtssaal überführen zu können. Es ist jedenfalls dringend abgeraten, ohne Rücksprache mit einem Verteidiger gegenüber dem Gericht oder den Strafverfolgungsbehörden Angaben zu machen.

Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht mit engagierter, seriöser und sachkundiger Expertise sämtliche rechtlichen Möglichkeiten des Strafverfahrens auszuschöpfen und hierfür hocheffektive Verteidigungsstrategien zu entwickeln, die gerade auch auf die typischen Schwachpunkte des Justizsystems zielen. Denn man darf nicht verkennen, dass es im Strafrecht für den Betroffenen um Viel, wenn nicht sogar um Alles geht – schließlich kennt kein anderes Rechtsgebiet so scharfe Sanktionen bis hin zur lebenslangen Freiheitsstrafe.

Unsere Kanzlei hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit engagierter, seriöser, und sachkundiger Expertise sämtliche rechtlichen Möglichkeiten des Strafverfahrens auszuschöpfen und hierfür effektive Verteidigungsstrategien zu entwickeln, die gerade auch auf die typischen Schwachpunkte des Justizsystems zielen.

Kein anderes Rechtsgebiet kennt so viele Ermessensspielräume, hält man sich allein die weit gefassten Rechtsfolgen vor Augen, die das Strafverfahren vorsieht: von der Verfahrens-Einstellung (mit oder ohne Geldauflage), über das schriftliche Strafbefehlsverfahren, bis hin zur Nichteröffnung des Verfahrens, Freispruch, Verwarnung, Absehen von Strafe oder Freiheitsstrafen von wenigen Monaten bis zu vielen Jahren – mit oder ohne Bewährung;

Der Ausgang im Strafrecht hängt damit wesentlich von der Wahl des richtigen Anwalts ab. Da aber – ähnlich wie beim Arzt – das Vertrauen in den bestmöglichen Händen zu sein, wichtigste Faktor für eine anwaltliche Beauftragung ist, können Sie uns jederzeit vorab kontaktieren, um sich einen persönlichen Eindruck von unserer Erfahrung und Kompetenz zu machen. Kontaktieren Sie uns daher jederzeit per Mail oder telefonisch und wir beraten Sie gerne zu den Optionen einer ausführlichen Erstberatung oder Beauftragung sowie den rechtlichen Möglichkeiten und Kosten.